unraum 52


Rauminstallation | St. Gallen | 2013 | mit Stefan Schöbi und Mats Hartmann

Ein Kollektiv aus jungen Kunstschaffenden hat an der Guisanstrasse – ganz legal – ein Haus besetzt. Im «Unraum 52» laden sie am kommenden Wochenende zu einer einmaligen Ausstellung. Nach der Finissage beginnt der Abbruch.

Von aussen sieht sie fast so aus wie jede andere Villa in Rotmonten. Nur dringt Musik aus den halboffenen Fenstern, und an der Eingangstür begrüsst ein bunt beschriebener Zettel den Kebab-Kurier, den Pizza-Lieferdienst und den Journalisten: «Klingel tut nein, komm einfach rein.»
«Komm, wir machen was!»
So erfrischend die Begrüssung, so belebend geht es im Inneren weiter. Im Esszimmer steht ein Gebilde, zusammengezimmert aus Küchentablaren, Schubladen und weiterem Mobiliar. «Wir spielen mit dem, was wir hier vorfinden. Wir greifen in das Haus ein. Eine solche Gelegenheit hat man nicht alle Tage», sagt Elias Buess. Er gehört zu den 16 jungen Kunstschaffenden, die hier seit Silvester am Werk sind und die gediegene Villa an der Guisanstrasse 52 in eine begehbare Kunstausstellung verwandeln. Es sind Menschen aus kreativen Branchen – Grafiker, Kunststudenten, Steinbildhauer, Dekorationsgestalterinnen –, alle zwischen 18 und 25 Jahre alt, alle aus St. Gallen und Umgebung, alle gut befreundet und hoch motiviert. «Wenn wir uns treffen, sagen wir oft wieder: . So ergeben sich immer wieder neue Projekte», sagt Ramona Feuerstein.
Ein vorübergehender Unort
Ihr aktuelles Projekt nennt sich «Unraum 52», in Anlehnung an die Adresse der Villa (Guisanstrasse 52), aber auch in Anspielung auf den vorübergehenden «Unort», den sie mitten im gutbetuchten Rotmonten eröffnen. Einige Nachbarn hätten auch schon herübergeäugt und sich wohl gefragt, was da für junge Leute mit Spraydosen und Farbkübeln ein und aus gingen. «Ich fände es super, wenn sie auch an die Ausstellung kämen», sagt Sandi Gazic.
Die künstlerische Hausbesetzung in Rotmonten ist auf legalem Weg entstanden. Die Besitzer der seit langem leerstehenden Villa haben ihre Erlaubnis für die Kunstausstellung erteilt und dem Kollektiv das Haus für ein paar Wochen überlassen, inklusive Wasser, Strom und Heizung. Bald soll das Wohnhaus sowieso abgebrochen werden, also sind den Künstlern höchstens statische Grenzen gesetzt: Tragende Wände sollten besser stehen bleiben. «Doch wir haben schon ein bisschen gewütet», sagt Sandi Gazic und streicht mit der Hand über eine verkleisterte Wand. Ein bisschen Dreck und Farbe dürfe schon sein, auch in Rotmonten.
(…)
Eine wilde Mischung verschiedener Kunstformen ist in der Villa versammelt. Fast überall wird der Raum einbezogen: Neben dem Kachelofen hängen Ölbilder, die Dusche ist mit Magazinen tapeziert, das Weinregal wird zur Holzskulptur, die Sonnenstore vom Sitzplatz zum grossformatigen Wandbild. «Einige unserer bestehenden Werke haben wir mitgebracht, der Rest ist Eingreifen vor Ort», sagt Joel Roth, der in einem düsteren Kellerraum seine Dämonenportraits arrangiert. Doch ist das schon Kunst, wenn sich ein paar junge Wilde in einer Villa austoben? «Kunst? Wir sind einfach produktiv, sagen wir’s so», sagt Roth.
Nach der Ausstellung werden schon bald die Abbruch-Bagger anrücken. Doch geht es nach den Machern von «Unraum 52», soll die Idee der kreativen Inbeschlagnahme weiterleben. Elias Buess: «Es wäre schade, wenn dies eine einmalige Sache wäre.»

Roger Berhalter für das St. Galler Tagblatt, 2013

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